Kulturbruch: von der Weltstadt Gotha bei Siebleben in das 7-Millionen-Seelen-Dörfchen London

12.06.16, 20:00 Uhr: Beladen mit einem ganzen Album schlechter deutscher Schlager, entsprechend guter Laune und fünf Knackwürsten rückt die Nachhut in Gotha ab – um am Morgen des folgenden Tages mit der aufgehenden Sonne und zufallenden Augenlidern auf „Der Insel“ einzureiten.

Leider fand dieser heroische Auftritt schon bald ein jähes Ende, spätestens, als gut 40 Jugendliche in Jogging-Hose die Straßen Londons überfielen.

Auch wenn wenig kultiviert – bald darauf begann das Kulturprogramm dieser Fahrt, allerdings erst nachdem einer Horde desorientierter und übermüdeter Schüler im Crash-Kurs das System der Londoner U-Bahn erklärt wurde. Angekommen am Camden Lock Market ist man als Kleinstädter ja schon überrascht, dass man nach nur 3 Minuten Fußweg jede Küche der Welt erreichen kann, und zu welchen günstigen Preisen man hier „Markenartikel“ erwerben kann.

Am nächsten Tag ging es dann daran, auch den Rest Londons kennenzulernen. Dass unser Tourguide schon nach zwei Sätzen bemerkte, dass sie zwischendurch Deutsch sprach und wieder zum Englischen überging, rief zwar allgemeine Enttäuschung hervor, doch auch in der Fremdsprache ist durchaus die ein oder andere Information über die Stadt hängen geblieben. Wie viel genau, hätte man bei der anschließenden Fahrt mit dem London Eye auf die Probe stellen können – oder aber man besuchte stattdessen den London Dungeon und ließ sich die Geschichte der Stadt noch einmal auf spektakuläre Weise vorspielen.

Doch nicht bloß die Vergangenheit, auch die Gegenwart ist in dieser Stadt mehr als aufregend: Am Picadilly Circus versucht prinzipiell immer irgendwo irgendwie ein Straßenkünstler seine Talente vorzuführen, seien es Athleten, die über die Köpfe von Passanten turnen, oder Dudelsackspieler, die im Kilt die Titelmelodie von Star Wars spielen. Auch der Verkehr der Stadt lässt sich allenfalls als „abenteuerlich“ bezeichnen, wo die Briten doch in der Fußgängerzone so höflich und zuvorkommend sind, scheinen sie auf der Straße sämtlichen angestauten Frust abzubauen. Schon die Autofahrer sind äußerst aggressiv und risikobereit unterwegs, werden aber durch die Moped- und Motorradfahrer nochmals übertroffen. Für alles, was weniger als vier Räder hat, scheint die Benutzung der Straßen nicht an Verkehrsregeln gekoppelt zu sein. Fahrstreifen, Vorfahrtsregelungen, rote Ampeln, alles wird ignoriert, und das vor den Augen der Polizei. Es scheint in dieser Stadt wohl einfach niemanden zu stören. Oder eine Verfolgungsjagd erscheint den Gesetzeshütern ohnehin sinnlos, da die meisten Straßen Londons so unfassbar schmal sind, dass sich dort nicht einmal Fahrradfahrer trauen würden, sie zu befahren. Das erklärt auch die Bauform der meisten englischen Automobile – und die Beliebtheit der Londoner U-Bahn.

Doch ein Kulturschock kommt selten allein: ein paar Kilometer weiter, in Oxford, sieht die Welt schon wieder ganz anders aus. Oxford hat sein Stadtbild vermutlich seit Hunderten von Jahren nicht angerührt, und so fühlt man sich direkt in der Zeit zurückversetzt. Passend dazu, dass Oxford eine Universitätsstadt ist, bekamen wir einen Stadtführer, der der Urenkel Albert Einsteins hätte sein können – in jedem Fall die Versinnbildlichung des Clichés des zerstreuten Professors. Ebenso zerstreut scheinen einige der Plätze des Campus, die er uns vorstellte. Auf den ersten Blick wirkt zwar alles wie in bester Ordnung, doch stellt sich bald heraus, dass oftmals sämtliche Gebäude an einer Stelle aus verschiedenen Jahrhunderten stammen und auch komplett unterschiedliche Baustile verfolgen. Doch sie seien alle aus demselben Kalkstein erbaut, versicherte man uns – was natürlich die Frage offen lässt, wo in Großbritannien man über Jahrhunderte hinweg Kalkstein abbauen kann, ohne dabei die Insel von der Karte zu radieren.

Doch jeder Spaß ist auch einmal zu Ende, was in diesem Fall zwar nicht das Ende der Reise bedeutete, aber die erste ernsthafte Aufgabe, die anstand. Zurück in London, vor den Toren, oder eher: der Drehtür der National Gallery hieß es nun: das Gebäude stürmen (sanft und lautlos versteht sich) und eines der zahlreichen Gemälde genauestens betrachten und anschließend beschreiben. Doch - Gott sei’s gedankt - die National Gallery erlaubt das Fotografieren innerhalb ihrer Gemäuer, also schnell ein Bild vom Bild geschossen und der Rest wird daheim erledigt – wie immer.

Der Besuch einiger der berühmtesten Museen Londons am nächsten Tag blieb ohne zielgerichtete Aufgabenstellung – was einen angesichts deren gewaltiger Ausmaße ganz schön verloren vorkommen ließ. Doch nachdem die 2 Stunden für den Besuch wie im Flug vergangen waren, näherte sich die Reise tatsächlich ihrem Ende. Es war noch Zeit für einen letzten kurzen Spaziergang und dann sollte erneut der Sitzplatz im Bus für die nächsten 17 Stunden unser Zuhause werden – bis wir wieder in der echten Heimat angekommen waren.

NH, Klasse 11-2